Kategorien
Friedhof Spuk

Das Mädchen im Glaskasten

Inez Clarke
Grab von Inez Clarke (mit Statue – nein, dieser Kasten ist nicht das Papamobil!) und ihrer Eltern John und Mary. Im linken Grab liegt Inez’ Oma mütterlicherseits Jane Rothrock. Direkt links daneben (im Foto nur angeschnitten) ist Opa David Rothrock beerdigt. Der stark beschädigte Grabstein rechts gehört Inez’ Bruder Dilbert. Foto: leyla.a / Lizenz: CC BY-SA 2.0
Inez Clarke Detail
Detailansicht der Statue. Foto: Richie Diesterheft / Lizenz: CC BY 2.0

Inez Clarke (*1873, †1880) wurde nur sechs Jahre alt. Sie wurde auf dem Friedhof von Graceland (Chicago, Illinois) beerdigt. Angeblich starb sie an einem Blitzschlag, als sie von den Eltern versehentlich bei einem Gewitter ausgesperrt worden war. Tatsächlich ist Inez wohl an Diphtherie gestorben.

Ihre Eltern gaben bei einem sizilianischen Bildhauer eine lebensgroße Statue ihrer Tochter in Auftrag. Diese Statue, die Inez sitzend auf einem Stuhl darstellt, war ein Jahr später fertiggestellt und wurde über dem Grab platziert. Später wurde ein Plexiglaskasten über die Statue gestülpt, um diese vor Wind und Wetter zu schützen. Wenn es wirklich Plexiglas war und nicht normales Glas, dann gibt es zu bedenken, dass Plexiglas erst 1933 erfunden wurde. Die Statue wäre also dann mindestens 50 Jahre ungeschützt gewesen.

Um das Grab ranken sich diverse Legenden. Ein Grabwächter soll eines Nachts während eines Sturms bei seiner Runde den Plexiglaskasten leer vorgefunden und vor Schreck das Weite gesucht haben und nie wieder zurückgekehrt sein. Die Statue wurde am nächsten Morgen unversehrt vorgefunden. Andere wollen ein Kind in einem altertümlichen Kleid gesehen haben, das über den Friedhof lief.

Das Grab von Inez ist zu einer Sehenswürdigkeit geworden. Dies liegt sicherlich an der der besonders realistisch aussehenden und detailreichen Statue und an dem auffälligen Plexiglaskasten, der die Statue vor dem Verfall bewahrt. Besucher legen immer wieder Blumen und Spielzeug für Inez ab.

Im April 1997 wurde das Grab Opfer von Vandalen. Offenbar mit einer Axt war eine große Kerbe in die Frontscheibe geschlagen worden. Die Täter konnten das dicke Plexiglas nicht durchdringen und flohen. die Statue blieb unversehrt, die Frontscheibe wurde dann später ausgetauscht.

Ist die Wahrheit nüchtern?

Adam Selzer spekuliert in seinem 2022 erschienenen Buch „Graceland Cemetery: Chicago Stories, Symbols, and Secrets“, dass die Statue gar nicht Inez nachempfunden, sondern nur eine Musterstatue des Bildhauers Andrew Gagel sein könnte. Über das kurze Leben von Inez konnte Selzer nur sehr wenig herausfinden, wohl aber über die Familienverhältnisse.

Die traurige Geschichte von Mutter Mary

Marys Vater Amos McClure, ein Bürgerkriegsveteran, starb früh. Sie wuchs mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater auf (Familie Rothrocks). Mit 16 heiratete sie Wilbur Briggs. Etwa ein Jahr später – 1873 – wurde Inez geboren. Die Ehe hielt nicht lange, da Wilbur ein Säufer war. Als Mary 18 war, trennten sie sich. 15 Monate später wurde Dilbert geboren. Wer der Vater war, ist nicht bekannt, Wilbur konnte es kaum gewesen sein, es sei denn, die beiden hatten doch noch mal Kontakt. Die Geschichte ist traurig, Dilbert starb nach nur wenigen Monaten an Cholera infantum. Ihren zweiten Mann John Clarke (jetzt wird klar, warum Marys Tochter als Inez Clark beerdigt wurde) soll Mary erst kurz vor Inez’ Tod geheiratet haben. Nach dem Tod von Inez wurde Dilbert von einem anderen Friedhof auf den Friedhof von Graceland umgebettet. Von Dilberts Grab sind nur noch Reste übrig (Bild ganz oben rechts). Ursprünglich bestand es aus einem Grabstein mit einer Lamm-Skulptur – eine Tradition bei Menschen, die bereits in sehr frühem Kindesalter sterben.

Zum Zeitpunkt von Inez’ Tod war Mary erneut schwanger und bekam ein drittes Kind, Beatrice. Diesem war immerhin ein längeres Leben vergönnt. Beatrice heiratete und nannte ihre Tochter Inez, um an ihre Schwester zu erinnern, die sie ja nur aus Erzählungen kannte.

Inez Clarke Seite
Auch diese Ansicht von der Seite zeigt, wie detailreich die Statue gearbeitet ist. Foto: Marlin Keesler / Lizenz: CC BY 2.0

Quellen

Kategorien
Friedhof

Grab mit Zugang erlaubte Mutter, tote Tochter bei Gewittern zu trösten

Grab von Florence Ford
Das Grab der kleine Florence. Eine sehr traurige, aber auch rührende Geschichte. Foto: Natalie Maynor / Lizenz: CC BY 2.0

Natchez, Mississippi: 1871 wurde das sehr ungewöhnliche Grab dieses 10-jährigen Mädchens mit einer leicht zugänglichen Treppe gebaut, damit ihre Mutter sie bei Gewittern trösten konnte.

Grab von Florence Ford
Foto: Shanna Riley / Lizenz: CC BY 2.0
Grab von Florence Ford
Detail Treppenabgang. Foto: Natalie Maynor / Lizenz: CC BY 2.0

Die zehnjährige Florence Irene Ford (* 03.09.1861, † 30.10.1871) starb an Gelbfieber. Während ihres kurzen Lebens hatte sie große Angst vor Gewittern bzw. Stürmen hatte (das englische storm, das in den Quellen genannt ist, bedeutet beides, Gewitter und Sturm), und wann immer ein entsprechendes Unwetter auftrat, eilte sie zu ihrer Mutter, um Trost zu finden.

Nach ihrem Tod war ihre Mutter so traurig, dass sie den Sarg von Florence mit einem Glasfenster am Kopf des Kindes versehen ließ. Das Grab auf dem Stadtfriedhof am Ufer des Mississippi wurde derart konstruiert, dass ein spezieller Aufenthaltsbereich mit der gleichen Tiefe des Sarges am Kopf des Kindes bereitgestellt wurde. Über eine Treppe konnte die Mutter 6 Fuß zu ihrer Tochter herabsteigen, um Florence bei Gewittern zu trösten. Um die Mutter bei Gewittern zu schützen, wurden klappbare Metalltüren über dem Aufenthaltsbereich installiert.

Stadtfriedhof von Natchez
Eingangsbereich des Friedhofs. Foto: NatalieMaynor / Lizenz: CC BY 2.0
Stadtfriedhof von Natchez
Weiterer Teil des Friedhofs. Foto: Billy Hathorn / Lizenz: CC BY 3.0

Die Mutter starb 1892. Mitte der 1950er-Jahre wurde am Fuß der Treppe eine Betonwand errichtet, die das Glasfenster des Sarges von Florence abdeckt, um Vandalismus zu verhindern.

Der Grabstein hat die Inschrift „Sacred to the memory of Florence Irene – daughter of Washington & Ellen H. Ford. As bright and affectionate a daughter as ever god with his image blest.“ (Geweiht dem Andenken von Florence Irene, Tochter von Washington & Ellen II. Ford. So hell und liebevoll, wie sie jemals Gott mit seinem Bildnis beschenkt hat.)

Das Grab existiert bis heute, und auch die Metalltüren sind weiterhin in Betrieb. Besucher können die Treppe begehen, um Florence ganz nahe zu sein.

Quelle

Offizielle Website des Stadtfriedhofs von Natchez