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Die Hand, die nach dem Tode weitermalt

Die abgetrennte Hand eines Toten bewegt sich. Die Hand malt. Mit den Fingern. Der Ausdruck Fingermalerei scheint eine neue Bedeutung zu erhalten. Doch auch wenn die Geschichte nach dem Okkulten klingt, muss man hier die Parapsychologie wohl nicht bemühen. Denn bewegt wird die Hand von Morten Viskum (*1965), dem umstrittensten Künstler Norwegens. 1998 verwendete er erstmals die Hand eines Toten als Pinsel.

Mumifizierte Hand
Symbolbild

Es ist nicht die erste Provokation des Künstlers. Bereits 1995 machte er mit seiner Aktion „Rotte/oliven prosjekte“ auf sich aufmerksam. Innerhalb von zwei Tagen stellte er 20 Olivengläser, in denen er die Oliven durch Rattenbabys ersetzt hatte, in 20 Lebensmittelläden in den fünf größten norwegischen Städten auf.

Einige Jahre später schuf er ein Kruzifix, bei dem nicht Jesus Christus, sondern eine tote Ratte ans Kreuz genagelt worden war. Einige Kunstliebhaber mit begrenzt ausgeprägter Toleranz bedankten sich bei Viskum mit Morddrohungen.

Viskum studierte zunächst Veterinärmedizin. 1993 brach er das Studium nach 6 Jahren ab und ging an die Norwegische Akademie der bildenden Künste in Oslo. Der Künstler macht Installationen, Performances, Fotografie und Malerei. Das vorherrschende Thema ist der Tod. Er hat das Vestfossen Kunstlaboratorium gegründet, eine Kunstgalerie für internationale zeitgenössische Kunst im norwegischen Øvre Eiker. Viskum verfügt über eine private Kunstsammlung mit über 700 Kunstwerken von über 200 Künstlern.

Die Serie „Tote Hände“

Jede Hand, die der Künstler in die Hand bekommt, dient einer eigenen Serie. Von wem die Hände stammen und wie er an sie gelangen konnte, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Die Rezepturen der verwendeten Farbe unterscheiden sich. Für „Die Hand mit dem goldenen Ring“ setzte Viskum herkömmliche Farbe, Tierblut und Goldstaub ein. Dabei bemalte er zuerst die Leinwand mit Tierblut, wobei er die abgetrennte Hand als Pinsel verwendete. Dann legte er etwas Goldglitter in die Handfläche der abgetrennten Hand. Schließlich blies er den Glitzer über das Blut. Am Ende übermalte er den Glitzer mit verschiedenen Farben, wieder mit der Hand als Pinsel. Die Hände – und wie Viskum mit ihnen arbeitet – sind im Video zu sehen.

Der Prozess der Bildentstehung findet nicht nur im stillen Kämmerlein statt, sondern auch live vor Publikum. Spätestens jetzt ist es Eventkunst, wenngleich auch bei Bildern ohne Zuschauer das Performative im Vordergrund steht, nicht das fertige Bild. Es ist die Idee, die Geschichte, die Entstehung der Bilder.

Sensationsgier, niedrige Instinkte, ein billiger Trick?

Der Künstler wehrt sich dagegen, dass er auf Schock setze, auf niedrige Instinkte und Sensationsgier befriedige.

Er sagt, dass in der gesamten Kunstgeschichte Künstler Leichenhäuser und Autopsien besucht hätten, um die menschliche Anatomie zu malen. Er habe diese Tradition nur etwas erweitert, indem er die Körperteile aus der Leichenhalle entfernt und diese direkt als Werkzeug benutzt habe.

Ein Schalter, den man nicht so einfach wieder ausschalten kann

Dennoch, die meisten dürften erst einmal verstört sein, wenn sie erstmals von Morten Viskum und seiner Kunst hören.

Morten ist ein gängiger dänischer und norwegischer Vorname, der so viel bedeutet wie „der Mann vom Moor“. Dennoch mag man hier passenderweise eine Ähnlichkeit zu mortal (sterblich) sowie Morden erkennen.

Die allüberlagernde, tabubrechende Kurzbotschaft ist nun mal, dass er mit der Hand von Toten male, auch wenn das nur einen Teil der künstlerischen Prozesse ausmacht.

Schnell stellen sich die Fragen nach Moral und Ethik. Verstößt es gegen die Würde von Toten, selbst wenn die Menschen zu Lebzeiten zugestimmt haben? Wird hier die Totenruhe gestört? Immerhin wird das vielleicht komplizierteste, wertvollste Werkzeug der Natur, die menschliche Hand, als simpler Pinsel zweckentfremdet.

Das große Thema der eigenen Vergänglichkeit tritt ebenso hervor. Selbst die Vorstellung, dass die eigene Hand Viskum posthum als Pinsel dienen könnte, kann einem hierbei in den Sinn kommen.

Diese ganzen Gedanken werden Teil des Kunstprozesses. So einfach der Schalter auch umgelegt wurde, so wenig lässt er sich einfach wieder ausknipsen. Das alles zeigt, das ist weit mehr als eine simple Provokation, um berühmt zu werden.

Auch wer sich uninteressiert gibt oder angewidert abwendet, ist bereits Teil des Prozesses. Es beschäftigt einen lange. Wer anderes behauptet, verkennt das Unterbewusste, das stetig weiterarbeitet. Zumindest bis zum Tode.

Und das alles ist Kunst.

Quellen

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Verbrechen

München: Mord und Totschlag ohne Leichen

Dunkler Wald
Irgendwo im Wald könnten die beiden Leichen liegen (Symbolbild)

Dies ist ein sehr verstörender Münchner Kriminalfall aus dem Jahre 2019, der bis heute Rätsel aufgibt. Vor allem wurden die Leichen der beiden höchstwahrscheinlich getöteten Mutter und ihrer Tochter nie gefunden.

Am 13.07.2019 verschwanden die 41-jährige Maria G. und ihre 16 Jahre alte Tochter Tatiana. Beide sind russische Staatsbürgerinnen. Mutter und Tochter sollen ihre Wohnung in der Ottobrunner Straße in Ramersdorf gegen 14 Uhr verlassen habe, um das Neuperlacher Einkaufszentrum pep aufzusuchen. Im pep kamen sie aber offenbar nie an. Seither gelten sie als vermisst.

Die Kriminalpolizei geht davon aus, dass der „neue“ Ehemann Roman H. (44) von Maria G. (die beiden waren zu diesem Zeitpunkt seit einem Jahr verheiratet) seine Frau im Affekt getötet hat. Um die Tat zu vertuschen und die einzige Zeugin zu beseitigen, soll der Tatverdächtige seine Stieftochter ermordet haben.

Update 23.02.2021: Das Landgericht München I verurteilte heute Roman H. wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten. Roman H. bestreitet die Tat und behauptet, dass zumindest Maria noch lebe.  Er könne das nicht näher ausführen, sonst sei das Leben der beiden in Gefahr. Ein eindeutiges Tatmotiv konnte nicht festgestellt werden. Die Staatsanwaltschaft ist wegen der gefundenen Blutspuren davon überzeugt, dass beide Frauen tot sind. Die Indizien sprechen klar gegen Roman H. (siehe Tathergang weiter unten). Dieser nahm das Urteil regungslos entgegen.

Die Staatsanwaltschaft will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt. Der Angeklagte hat angekündigt, in Revision zu gehen.

Historie

Roman H., ein Deutsch-Russe aus St. Petersburg, hat die beiden als vermisst gemeldet und sich dann bei der Befragung in Widersprüche verwickelt. Seitdem verweigert er die Aussage und sitzt nach seiner Festnahme am 21.07.2019 in Untersuchungshaft.

Die Ermittler glauben, dass der Tatverdächtige die Leichen im Truderinger Wald versteckt hat. Der Wald befindet sich rund zehn Autominuten von der Wohnung entfernt. Laut Zeitungsberichten (von der Polizei nicht bestätigt) sollen ein oder mehrere Zeugen dort eines der beiden Autos der Familie oder/und den Täter gesehen haben, was möglicherweise einer der Gründe dafür ist, warum die Ermittler sich auf dieses Gebiet konzentriert haben. Auch soll die Familie einen Zweitwohnsitz in der Nähe des Truderinger Waldes besitzen.

Schmutzfangmatte
Schmutzfangmatte mit Blutspuren. Auch wenn sie hier auf einem Weg gezeigt wird, wurde sie im Dickicht in der Nähe des Weges gefunden

Der Wald wurde bereits mehrfach von einem Großaufgebot an Einsatzkräften der Polizei durchkämmt, die Großteile des Gebietes Schulter an Schulter unter Einsatz von Stangen und Schaufeln durchkämmt haben. Auch Leichensuchhunde sowie Hubschrauber mit Wärmebildkameras kamen zum Einsatz. Doch die Leichen konnten bis heute nicht gefunden werden.

Biotop/Rothsee
Truderinger Wald. Hier der Baggersee mit Biotop (Rothsee) in München Waldperlach. Die Polizei nahm lange an, dass die beiden Leichen hier im Wald liegen (09.08.2019) © Thomas Irlbeck

Im August 2019 hat die Polizei im Truderinger Wald eine Schmutzfangmatte und einen Teppich aufgespürt, die aus der Wohnung der Familie stammen, wie auf einer Pressekonferenz der Polizei am 13.08.2019 mitgeteilt wurde. Auf diesen Gegenständen wurden Blutspuren gefunden. Ein DNA-Test ergab, es ist Blut von den beiden Vermissten. Damit gibt es praktisch keine Hoffnung mehr, dass die beiden Frauen noch leben.

Die Schmutzfangmatte wurde von der Polizei gezeigt, der Teppich hingegen aus ermittlungstaktischen Gründen unter Verschluss gehalten.

Die Polizei suchte lange weiter nach Zeugen. Speziell Spaziergänger waren gefragt, die Verdächtiges im Truderinger Wald beobachtet haben.

Damaliger Zeugenaufruf der Polizei

Pkw der Vermissten
Pkw der Vermissten, ein Hyundai i30
Pkw des Tatverdächtigten
Pkw des Tatverdächtigen, ein VW Tiguan
Pkw des Tatverdächtigten
Pkw des Tatverdächtigen, ein VW Tiguan, weitere Ansicht

Die Bevölkerung wurde gebeten, sich mit Hinweisen in dem Fall an die Polizei zu wenden. Speziell verdächtige Wahrnehmungen im Suchgebot waren gefragt.

Der Zeugenaufruf lautete:

Wir bitten Personen, die ab Freitag, 12.07. Beobachtungen, insbesondere im Bereich der Ottobrunner Straße 3

1 und im sogenannten Truderinger Forst nördlich der Putzbrunner Straße, gemacht haben, sich umgehend mit dem Polizeipräsidium München oder auch mit jeder anderen Polizeidienststelle in Verbindung zu setzen.

Quelle: Polizeipräsidium München

Mögliches Motiv des Ehemanns (Update 20.08.2019)

Wie die tz berichtet, die sich auf einen Bericht in der „Bild“ beruft, gibt es ein mögliches Motiv des Ehemanns. So sei Maria G. finanziell gut gestellt gewesen, daher könnte das Motiv hier Habgier lauten. Ferner wird berichtet, dass auch in der Wohnung Blutspuren entdeckt worden seien. Die Leichen wurden immer noch nicht gefunden.

Suche nach Leichen soll in Kürze fortgesetzt werden (Update 21.08.2019)

Der Focus spekuliert unter Berufung auf eine enge Freundin der Familie, es soll eine Trennung des Ehepaars im Raum gestanden haben, was ein mögliches Motiv des Tatverdächtigen gewesen sein könnte. Ferner berichtet das Blatt, dass die Suche nach den Leichen in Kürze fortgesetzt werden soll. Weitere Angaben dazu gibt es nicht.

Kein wirklich neuer Stand – aber ein Zeitungsbericht (Update 18.09.2019)

In der tz erzählen zwei Freundinnen von Maria über ihren Schmerz. Im Bericht heißt es auch, Roman H. habe die Freundinnen einen Tag nach dem Verschwinden von Maria angerufen und sie gefragt, ob sie wüssten, wo Maria sei.

Rätsel um Marias Profilbild (Update 19.09.2019)

Wie die tz berichtet, die sich auf die „Bild“ bezieht, wurden kürzlich die Messengerdienste WhatsApp und Viber der beiden Frauen reaktiviert. Marias Profilbild ist seit dem 14. August verschwunden, der Grund hierfür ist unbekannt. Wie die Bild (der Artikel ist per Bezahlschranke abgesichert) weiter schreibt, haben die Ermittler offenbar die SIM-Karten von Mutter und Tochter klonen lassen . Hierfür ist ein richterlicher Beschluss notwendig. Auf diese Weise können Nachrichten, die nach dem Ausschalten des Handys nicht mehr zugestellt werden konnten, in besonderen Fällen doch noch zugestellt und sichtbar gemacht werden.

Mutter und Tochter seit über drei Monaten verschwunden – Verdächtiger will Schweigen nicht brechen (Update 25.10.2019)

Ein aktueller Bericht in der tz, aber das Neue besteht darin, dass es nichts Neues gibt. Der Tatverdächtige will weiter schweigen, die Leichen wurden noch nicht gefunden.

Ermittlergruppe verkleinert (Update 28.10.2019)

Hallo berichtet, dass sich der Tatverdacht gegen den Ehemann erhärtet hat. Konkretisiert wird es nicht, zumal der dringende Tatverdacht bereits seit August besteht. Die Ermittlergruppe „Duo“ wurde von 20 auf 7 Mitglieder reduziert. Die Leichen wurden noch nicht gefunden.

Ermittlungsarbeiten abgeschlossen – Anklage gegen Roman H. im Februar – hat sich der Tatverdächtige mit einem einzigen Wort verraten? (Update 18.01.2020)

Wie der Focus berichtet, wurden die Leichen immer noch nicht gefunden, die Suche danach eingestellt. Gegen Roman H. soll Ende Februar Anklage erhoben werden. Der Tatverdächtige könnte sich mit einem einzigen Wort verraten haben, berichtet das Blatt. In einem Telefonat mit einer Freundin hat Roman H. gesagt, die gemeinsame Wohnung „gehörte“ Maria. Im Russischen gibt es nur eine Vergangenheitsform – im Unterschied zum Deutschen. Damit verwendete Roman H. eine definitiv endgültige Form, die darauf hinweist., dass er wusste, dass seine Ehefrau nicht mehr am Leben ist.

Mordprozess im Oktober (Update 29.08.2020)

Der Mordprozess gegen Roman H. beginnt am 19. Oktober, berichtet die Abendzeitung.

Bald Urteilsverkündung (Update 18.02.2021)

Das Urteil im derzeit laufenden Mordprozess soll am 23.02. verkündet werden, berichtet Tag24. Der Staatsanwalt fordert lebenslange Haft für den Angeklagten wegen Totschlags an seiner Frau und Mordes an seiner Stieftochter. Die Verteidigung fordert Freispruch. Der Angeklagte bestreitet alle Vorwürfe.

Tathergang

Wie weiter oben bereits angeschnitten wurde, fanden die Ermittler in der Wohnung der Familie überall Blutspuren – an Jacken im Flur, an einer Wand, die frisch mit weißer Farbe gestrichen war, an Waschmaschine und Trockner, in der Tiefgarage, sogar an den Socken von Roman H. Dieser soll im Streit die beiden Frauen – erst Maria, dann Tatiana – durch massive, stumpfe Gewalt gegen den Kopf getötet haben. Danach soll Roman H. in einen Baumarkt gefahren sein, um Farbe zu kaufen. Mit dieser soll er dann die Wände gestrichen haben, um die Spuren zu beseitigen. Ferner soll er den erwähnten Wohnzimmerteppich und die erwähnte Fußmatte entfernt haben.

Der Angeklagte hat eine eigene Version für die Blutspuren: Es habe zwischen Mutter und Tochter eine blutige Auseinandersetzung gegeben. Daraufhin hätten sich wieder versöhnt und verarzte. Dann hätten sich beide frisch gemacht und seien gemeinsam zum Einkaufen gegangen.

Er soll dann gegen 17 Uhr in einem Baumarkt in der Wasserburger Landstraße Farbe und Malerutensilien gekauft haben, um damit die Wände im Flur und im Wohnzimmer neu zu streichen.

Roman H. zu 14 Jahren und 6 Monaten verurteilt (Update 23.02.2021)

Das Landgericht München I verurteilte heute Roman H. wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten. Das berichtet die Quelle: Süddeutsche Zeitung. Roman H. bestreitet die Tat und behauptet, dass zumindest Maria noch lebe. Er könne das nicht näher ausführen, sonst sei das Leben der beiden in Gefahr. Ein eindeutiges Tatmotiv konnte nicht festgestellt werden. Die Staatsanwaltschaft ist wegen der gefundenen Blutspuren davon überzeugt, dass beide Frauen tot sind. Die Indizien sprechen klar gegen Roman H. Dieser nahm das Urteil regungslos entgegen.

Die Staatsanwaltschaft will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt. Der Angeklagte hat angekündigt, in Revision zu gehen. Quelle: Spiegel

Urteil bestätigt (04.05.2022)

Knapp drei Jahre nach dem aufsehenerregenden Verschwinden einer Mutter und ihrer Tochter in München ist der Ehemann und Stiefvater rechtskräftig wegen Totschlags verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte am Mittwoch die vom Landgericht München I gegen den Mann verhängte Freiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten. Sämtliche Revisionen blieben ohne Erfolg. (Az. 1 StR 309/21)

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Schlusskommentar

Meines Erachtens hat Roman H. die Schmutzfangmatte und den Teppich im Truderinger Wald postiert, um eine falsche Spur zu legen. Hinter dem Truderinger Wald befinden sich zahlreiche weitere Wälder Richtung Glonn und Bad Aibling. Hier werden wohl die beiden Frauen liegen – bis heute!